gegründet 1918
90 Jahre gibt es unsere Anlage „Am Anger“. In diesen 90 Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert, auch wenn es viele Höhen und Tiefen gab und gibt. Es war nicht immer einfach, in der jeweiligen gesellschaftspolitischen Situation zu bestehen.
Im Jahre 1918, wurde unser Kleingartenverein ,, Wilhelmsruh e.V." mit ca. 70 Parzellen auf den Ländereien der Niederschen Erben gegründet.
Bis zum Jahre 1917 wurde das Land der Niederschen Erben als Landwirtschaftliche Fläche genutzt. Gegen Ende des 1. Weltkrieges konnte es jedoch nicht mehr gewinnbringend bewirtschaftet werden, die Arbeitskräfte fehlten. Um weiterhin Gewinn zu erzielen, wurden zunächst einzelne Parzellen vermietet und anschließend an einen Generalpächter Namens Schmidt verpachtet. Dieser wiederum verpachtete das Land parzellenweise an die Stadtbevölkerung. Damit waren die Voraussetzungen gegeben, dass sich 1918 der ,,Kleingartenverein Wilhelmsruh e.V." mit 70 Parzellen gründete.
Für viele Familien aus der Großstadt bedeutete dieses Stück Land Erholung und Nahrungserwerb. Es gab kein Licht und keine Wasserleitungen. Als Beleuchtung dienten Petroleumlampen, Stalllaternen und Talglichter. Wasser mußte aus der Gaststätte ,,Germanen-Restaurant" in Eimern geholt werden. Der Wunsch nach Behaglichkeit und Unterkunft wuchs, so dass man ab 1918 begann, Lauben zu bauen. Zu dieser Zeit war die Nachbarschaftshilfe eine Selbstverständlichkeit. Die Mitglieder liehen sich gegenseitig Werkzeuge und Gartengeräte, halfen mit Material aus und packten beim Nachbarn mit an.
Bis 1924 fungierte der Generalpächter Schmidt gleichzeitig als 1.Vorsitzender. Dann legte er aus Altersgründen die Funktion nieder, der erste arbeitsfähige Vorstand wurde gewählt, die gesamte Organisation verbesserte sich.
Es kam die Zeit der Weltwirtschaftskrise, Inflation und Massenarbeitslosigkeit waren die Folgen. In dieser Zeit stieg die Mitgliederzahl auf das Doppelte, die Gärten wurden gebraucht, um Obst und Gemüse anzubauen, beides aufgrund der hohen Preise im Handel unerschwinglich. Viele der Laubenkolonisten wurden Dauerbewohner, da die Mieten für eine Stadtwohnung nicht mehr aufgebracht werden konnten.
In dieser Zeit kam das Gelände zwischen Chrysanthemenweg und Sportplatzweg zur Anlage hinzu.
Mit Beginn des Jahres 1933 waren Ruhe und Zufriedenheit dahin. Nach ihrer Machtübernahme löste die NSDAP alle Verbände auf , unsere Kolonie "Wilhelmsruh e.V." wurde in ,,Hessen" umbenannt.
Nach dem zweiten Weltkrieg mussten viele Situationen gemeistert werden, wie Schutz vor Dieben, Einbrechern und Plünderern, der schrittweise Anschluss an das Wasser- und Stromnetz ab 1949, die Vergrößerung der Anlage. So wurde 1945 die Fläche zwischen Fliederweg und Grenzweg, ein ehemaliger Sportplatz, parzelliert, die Parzellen von ,,Alte Weise" angeschlossen und schließlich 1950 die ,,Alte Weide/West" und ,,Dein auf ewig" der Anlage angegliedert.
Nach Gründung der DDR 1949 vertieften und festigten sich bewährte Formen der Zusammenarbeit. 1954 wurde die ,,Verordnung zur Förderung des Kleingartenwesens" erlassen. Das Gemeinschaftsleben in der Anlage nahm einen weiteren Aufschwung. Es entstand die Kulturgruppe der Anlage, Sommerfeste, Frauentag und vom Vorstand organisierte Vergnügen waren gern gefeierte Höhepunkte. 1958 begannen wir mit dem Bau des Kulturhauses. In der Baubeschreibung heißt es: "Der vorliegende Entwurf umfasst einen Konzertpavillon mit Gemeinschaftsraum in der Kleingartenanlage. Beide Teile sind durch eine Bühnenöffnung miteinander verbunden. Der Bau wird ausgeführt als Massivbau". Die Gartenfreunde leisteten in ihrer Freizeit viele Stunden fleißiger Arbeit, um den Bau zu realisieren. Leider weilen viele dieser Freunde nicht mehr uns, wie Ludwig Lenz, Wilhelm Maschereck, Friedrich Reher und Wilfried Schütze.
1964 hatte sich, der Pflegezustand unserer Parzellen, das gesamte Ansehen unserer Anlage einschließlich der gepflanzten Hecken sehr verbessert. Das Spartenheim war fertig, im Frühjahr begann die Inneneinrichtung, im Sommer wurde hier das erste Fest gefeiert, viele weitere folgten.
1982 die Anerkennung als Naherholungsgebiet;
1983 Wegefeste und Ausstellungen von Ernteprodukten;
1986 die Anerkennung als ,,Hervorragendes Spartenkollektiv".
1987 wird das ehrenamtliche Bauaktiv wirksam (Gartenfreund Möbius).
Regelmäßig finden von Mai bis September Freilufttanzabende für Mitglieder und Bewohner des angrenzenden Wohngebietes statt.
1988 wird nicht nur die Inneneinrichtung des Vereinshauses verbessert, sondern auch die Beleuchtung zwischen Hauptweg und Grenzweg, weitere Parzellen werden an die städtische Kanalisation angeschlossen.
Am 5. Juli 1990 werden wir erstmals als eingetragener Verein (e.V.) anerkannt.
1991 wird uns der Vereinsstatus wieder aberkannt, weil ,,das Vereinigungsgesetz der DDR keine Anwendung mehr findet. Ihr Verein muss demzufolge einer erneuten vollständigen Prüfung unterzogen werden. .."
6. März 1992- nach langwieriger Arbeit an allen Dokumenten und einem vielfältigen Briefwechsel mit dem zuständigen Amtsgericht - erfolgt endlich die erneute Anerkennung als e.V.
Am 12. Juni 1997 wurden schließlich die Zwischenpacht- und Verwaltungsverträge mit dem Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. unterzeichnet. Damit erhielt unsere Anlage mehr Rechtssicherheit.
Gleichzeitig begannen wir, mit den privaten Eigentümern unserer Kleingartenflächen neue Pachtverträge abzuschließen. Hier gab es viele Diskussionen, wenn ich nur an das Pachtverhältnis mit Hertha BSC denke, welches dann doch gut ausging.
Leider konnte ein Pachtvertrag mit den Niederschen Erben nicht realisiert werden, da der zur Gründungszeit unserer Anlage geschlossene Pachtvertrag trotz vieler Bemühungen nicht mehr auffindbar war. So endete auf diesem Gebiet unserer Anlage das Pachtrecht und unsere Kleingärtner wurden durch verschiedene Machenschaften vertrieben. Ende diesen Jahres (2008) müssen die letzten Gartenfreunde dieses Gebiet verlassen. Unsere Antwort kann nur darin bestehen, die vertragsgerechte Nutzung unserer Parzellen intensiv zu realisieren, damit die Grundeigentümer keine Vertragsverstöße nachweisen können.
Im Sommer 2007 schließlich bauten wir die Küche im Vereinshaus aus und modernisierten sie. Nachdem unser langjähriges Gaststättenehepaar Limp in den Ruhestand ging, stellten wir die Räume unseren Gartenfreunden und Gästen für Familienfeiern zur Verfügung. Dieses Jahr kauften wir neue Stühle, so dass das Vereinshaus ab kommenden Jahr, unter besseren Voraussetzungen, wieder bewirtschaftet werden kann.
Die Verschönerung unserer Anlage prägt die Tätigkeiten aller Vereinsmitglieder. Eingebunden ist dabei die seit zwei Jahren geplante Erdverkabelung, die dieses Jahr beginnt. Damit werden dann alle Lichtmasten, welche teilweise seit 1949 stehen, aus dem Gesichtsfeld verschwinden.
Der kurze Abriss unserer KGA-Geschichte zeigt, dass trotz vieler Schwierigkeiten eine kontinuierliche Entwicklung stattfand. Gemeinsam werden wir alles tun, um auch künftig unsere Parzellen zur kleingärtnerischen Nutzung, zur Erholung und als Treffpunkt unserer Familien mit den Kindern zu nutzen. Dabei können wir uns auf die zuverlässige Unterstützung des Bezirksverbandes der Gartenfreunde Pankow mit seinem 1. Vorsitzenden Wolfgang Wölfer verlassen.
Wünschen wir uns alles Gute und viel Erfolg.
(aus der Festrede zum 90-jährigen Bestehen der Anlage/ 2008 - gehalten vom Vorsitzenden der KGA"Am Anger"e.V. - Rainer Jurisch)